Andenpanorama - Ausblick vom Punta Union auf 4.750 m. | © Diana Willems

Inklusive Expedition nach Peru - Wandern mit anderen Sinnen

… unter diesem Motto begann meine Reise Ende Juni 2025 für 3 Wochen nach Peru. 

Mein Name ist Diana Willems, ich bin 43 Jahre alt und Mitglied der Sektion Koblenz. Ich bin hochgradig sehbehindert, auf dem rechten Auge blind, auf dem linken Auge weniger als 15 % Sehvermögen mit einem Tunnelblick. Trotz dieser Einschränkung liebe ich es aktiv zu sein, Neues zu erleben und mir selbst zu beweisen, dass Abenteuer auch mit Handicap möglich sind.

Ende Juni 2025 begab sich das Expeditionsteam unter der Leitung von Sascha Mache (DAV Offenbach) und Christiane Werchau (DAV Forchheim) auf das Abenteuer Peru. Unsere Gruppe bestand aus acht Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen DAV-Sektionen. Einige von uns hatten physische, andere psychische Einschränkungen. Doch wir alle waren durch die gleiche Motivation verbunden - unter dem Motto „Gemeinsam über hohe Berge“. Bevor es nach Peru ging, hatten wir bereits eine intensive Vorbereitung, die in drei Modulen eingeteilt war:

Das erste Kennenlernen fand im April 2024 im Frankenjura statt. Dort traf sich die Gruppe zum ersten Mal und schnell wurde klar, dass wir trotz aller Unterschiede gut zusammenpassen würden.

Im September 2024 folgte das nächste Treffen – diesmal im Ötztal. Dort standen Trainingseinheiten im Schnee und Eis auf dem Programm. Wir übten gemeinsam, wie man sich im alpinen Gelände bewegt, sichert und gegenseitig unterstützt. Für mich war es spannend zu erleben, wie wir uns Schritt für Schritt als Team einspielten.

Das dritte Modul gab es im Januar 2025 in Bad Camberg im Taunus. Dort stand Kältetraining auf dem Programm – inklusive zwei Übernachtungen draußen in der Winterkälte. Es war herausfordernd, aber auch ein eindrucksvolles Erlebnis. Spätestens da war uns allen klar: Wir sind bereit für das Abenteuer Peru.

 

Dann brachen wir Ende Juni 2025 zu unserer großen Reise auf. Nach einem langen Flug mit einer Zwischenstation in Lima mit einem Tag Aufenthalt und anschließender Weiterreise kamen wir dann in Huaraz an, dort bezogen wir das Morales Guesthouse. Hier wurden wir herzlich empfangen und lernten auch unseren einheimischen Bergführer Máximo kennen. Mit seiner ruhigen Art, seinem Wissen über die Berge, Pflanzen und Geschichte des Landes und der Unterstützung seiner Träger, Köche und  Esel gab er uns von Anfang an das Gefühl, gut aufgehoben zu sein.

Bevor das große Trekking begann, besuchten wir eine Gedenkstätte und machten kleinere Touren zur Akklimatisation. Der Aufstieg zum Willcacocha See auf 3.710 m war unsere erste Begegnung mit der Höhe. Oben angekommen, öffnete sich der Blick auf die weißen Gipfel der Cordillera Blanca – ein Moment, der uns alle staunen ließ. Am nächsten Tag führte uns Máximo zur Laguna Churup auf 4.450 m im Nationalpark Huascarán. Der Weg dorthin war anspruchsvoll, mit vielen Stufen und kleinen Klettereinlagen, doch am Ende lag der türkisfarbene See still unter den schneebedeckten Bergen. Das Wasser glitzerte im Sonnenlicht und die klare Luft machte jeden Atemzug intensiv.

Dann starteten wir zu unserem ersten Trek, bei dem wir noch ein festes Basecamp hatten. Von dort aus wanderten wir ins Tal Desvío Cayesh. Die Landschaft war geprägt von schroffen Felswänden und weiten Wiesen, auf denen unsere Esel friedlich grasten während wir Pause machten. Am nächsten Tag ging es weiter mit einem Aufstieg von 320 Hm zum Tulpa Cocha See. Das Wasser lag dunkelblau vor uns, eingerahmt von hohen Gipfeln, und wir spürten die Ruhe und Kraft dieses besonderen Ortes. Danach sind wir noch einmal 380 Hm auf einem alten Inkapfad Richtung Laguna Cuchililo Cocha gewandert. Dieser war sehr beeindruckend und dort wurde es auch sehr emotional, sodass ich abends erschöpft aber dafür sehr glücklich am Campingplatz ankam. Am dritten Tag führte uns der Weg schließlich durch das Tal Quillcayhuanca, ein weites Hochtal, in dem wir das Gefühl hatten, ganz allein mit den Bergen zu sein. Nur das Rauschen der Bäche, die eigenen Gedanken und unsere Schritte begleiteten uns.

Jeder Tag brachte neue Eindrücke, andere Stimmungen – mal sonnig und klar, mal geheimnisvoll im Nebel. Und immer wieder das Gefühl: Wir sind wirklich mitten in den Anden angekommen.

Unser zweiter, eigentlicher Trek begann im kleinen Dorf Vaquería. Von dort brachte uns ein Bus über eine extrem steile und kurvenreiche Passstraße, die Portachuelo, hinauf nach Paria auf 3.970 m. Schon die Fahrt war ein Abenteuer für sich – jeder Blick aus dem Fenster öffnete ein neues Panorama aus schroffen Bergen und tiefen Tälern.

Am nächsten Tag starteten wir von Paria aus zum Punta Unión auf 4.750 m. Der Aufstieg war anstrengend mit 1000 Hm, aber die Landschaft entschädigte für jede Mühe: glitzernde Gletscher im Sonnenlicht, klare und dünne Bergluft und immer wieder das rhythmische Tappen unserer Schritte. Nach ca. 12 km waren wir oben angekommen, mussten aber noch einmal 400 Hm zu unserem Campingplatz absteigen, auf dem wir dann übernachteten.

Früh am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zum Cerro Sentillo, unserem großen Ziel und dem höchsten Punkt der Reise mit 5.100 m. Der Weg dorthin war steinig und fordernd. Jede*r hat das Ziel glücklich und zufrieden erreicht, denn unser Motto lautete schließlich: „Gemeinsam auf hohe Berge“.  Nach vielen Stunden kehrten wir erschöpft, aber glücklich ins Camp auf 4.170 m zurück.

Am folgenden Tag ging es talabwärts zum Aussichtspunkt Alpamayo. Ein schmaler, wunderschöner Pfad führte uns dorthin, mit immer neuen Blicken auf die majestätischen Gipfel. Danach wanderten wir durch das beeindruckende Santa-Cruz-Tal bis wir unser Camp in Llamacorral auf 3.760 m erreichten.

Durch dasselbe Tal ging es auch am nächsten Tag – ein langer Abstieg über Stock und Stein, bei hohen Temperaturen und steilem Gelände. Schließlich erreichten wir Cashapampa auf 3.000 m, wo unser Bus schon auf uns wartete und uns zurück zum vertrauten Guesthouse Morales brachte.

Nach all den Tagen in den Bergen gönnten wir uns dort eine wohlverdiente Pause. Ein Besuch in einer heißen Therme tat uns allen gut – müde Beine, kalte Finger und der Staub der Pfade lösten sich im warmen Wasser einfach auf.

Bevor wir endgültig die Heimreise antraten, hatten wir in Lima noch ein besonderes Treffen: Wir besuchten körperlich eingeschränkte Menschen aus der Region. Die Gespräche waren tief und herzlich – Begegnungen voller Wärme, Offenheit und gegenseitigem Respekt. Für mich war das ein bewegender Abschluss einer ohnehin schon außergewöhnlichen Reise.

Für mich war die Expedition nach Peru viel mehr als nur eine Reise – es war eine Reise zu mir selbst. Ich habe gespürt, dass Grenzen da sind, ja – aber dass man sie mit Mut, Willensstärke und vor allem mit der Hilfe anderer verschieben kann.

Gerade mit meiner Sehbehinderung war diese Tour eine besondere Herausforderung. Umso mehr bin ich sehr dankbar für all die Unterstützung, die ich unterwegs erfahren habe: für die Geduld meiner Mitreisenden, die positiven Gespräche untereinander, die helfenden Hände an schwierigen Stellen, die Erklärungen, wenn es etwas zu sehen gab und das gegenseitige Vertrauen, das uns als Gruppe getragen hat.

Ich habe gelernt, dass es keine Schwäche ist, Hilfe anzunehmen – im Gegenteil: Es macht stark, wenn man sich auf andere verlassen kann. Und es verbindet, wenn man gemeinsam Hindernisse überwindet.

Mein Dank gilt der ganzen Gruppe, der Leitung und unserem Bergführer Máximo mit seinem Team, die mir ermöglicht haben, Peru mit allen Sinnen zu erleben. Ohne diese Unterstützung wäre vieles so nicht möglich gewesen.

Diese Reise hat mir gezeigt, dass Abenteuer nicht davon abhängen, wie gut man sieht – sondern wie offen man ist, sie mit dem Herzen wahrzunehmen. Peru bleibt für mich ein Land voller Schönheit, aber vor allem voller Menschen, die mir gezeigt haben, wie stark man gemeinsam sein kann.

 

Diana Willems

 

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Die Reise wurde vom Bundesverband des DAV gefördert. Hier gibt es weitere Informationen:

"Das gemeinsame Erlebnis zählt" - Interview mit Sascha Mache zum Tag der Menschen mit Behinderung 2024