Zu Weihnachten habe ich von meinen Eltern einen Klettersteig-Grundkurs geschenkt bekommen. Obschon ich mit meiner Familie seit Jahren in den Ferien in Südtirol und Tirol wandere, haben wir noch nie einen Klettersteig in Angriff genommen. Meine Eltern hatten immer Bedenken, die Begehung eines Klettersteigs könne zu gefährlich sein, wenn wir keinerlei Klettersteigtechniken beherrschten. Meine älteren Brüder und ich sahen das immer anders. Wir wären, wenn wir nicht ausgebremst worden wären, ohne Helm und Klettersteigset losgeprescht.
Nun bekam ich das Geschenk, die elementare Klettersteig- und Bergtechnik zu erlernen. Bei der Sektion Koblenz des DAV stand die gemeinsame Begehung von Teilen des Höhenglücks- und Norissteigs in der fränkischen Schweiz auf dem Programm. Untergebracht waren wird im Erlebniscenter des Berg- und Skiteams Jura Alpin in Hirschbach. Der Chef unserer Unterkunft – Manfred Salcher – war alleine schon die Anreise wert. Mit 80 Jahren flitzt er gut gelaunt von früh bis spät umher, umgeben von imposanten Antilopentrophäen, die wir allerdings nicht in der näheren Umgebung haben ausfindig machen können. Vielleicht haben wir da was übersehen...
Auch unsere Gruppe war ein echtes Erlebnis! Als ich ankam, hatte ich zunächst gedacht: „Ohje, lauter alte Leute“ – also älter als mindestens 30 Jahre. Zu meinem großen Glück war jedoch auch die um ein Jahr ältere, 16-jährige Hannah mit von der Partie. Wir haben uns sofort gut verstanden und hatten großen Spaß miteinander. Aber auch die „Alten“ waren richtig klasse. Allen voran unsere drei Profis von der Sektion Koblenz: Paul Pütz – sehr erfahren und stets lustig drauf, János Palik – immer besonnen und Ruhe bewahrend unterwegs sowie Christina Milles – super-nett, herzlich und sehr hilfsbereit. Ein echt tolles Team, bei dem wir uns alle sehr gut aufgehoben gefühlt haben.
Und schließlich insgesamt zwölf Teilnehmer von 15 bis 68 Jahren. Schon vor der „offiziellen“ Kennenlernrunde am ersten Abend haben wir auf der Terrasse beim ersten Getränk festgestellt, dass uns alle nicht nur die Begeisterung fürs Klettern eint. Auf Anhieb haben wir uns super verstanden und ausgetauscht. Und nach dem leckeren Abendessen gab es die erste Theorierunde im Gruppenraum, bei der uns János in Planung, Technik und Sicherheit eingeführt hat. In den beiden nächsten Tagen haben wir zusammen das Binden von Knoten gelernt, nachdem wir uns oft genug verknotet hatten, uns gegenseitig mit Seilen gesichert, abgeseilt, mitgezittert, wenn einer weiche Kniee bekommen oder gerutscht ist, und heftig beklatscht, wenn wir uns 20 Meter alleine abgeseilt haben. Eine richtig nette Truppe – trotz des Alters.
Als erstes haben wir uns am Höhenglückssteig versucht. Nachdem wir die Griff- und Tritttechniken zur Fortbewegung im Fels und auf der Klettersteiganlage erklärt bekommen hatten, starteten wir vor dem Hauptklettersteig mit dem Via Ferrata Bambini zum Warmwerden. So einfach sollte es aber nicht lange bleiben. Bereits die Einstiegsvariante „Knackiger Herzog“ mit dem Schwierigkeitsgrad E hatte es in sich. János und Christina retteten Hannah, Sascha und mich souverän aus der Felswand. Dies wollte ich aber nicht auf mir sitzen lassen und habe die Stelle erneut – mit Erfolg – gemeistert.
Aber keine Angst: Der „Knackige Herzog“ kann auch wie andere Passagen des Steigs umgangen werden, so dass man sich überwiegend im Schwierigkeitsgrad C/D bewegt, was auch für Anfänger machbar ist. Damit eignet sich der Höhenglückssteig sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene und kann mit der gesamten Familie erkundet werden.
Der am nächsten Tag folgende Norissteig sollte uns mit der Zusatzsicherung mit Seil, Abseilen und Ablassen vertraut machen. Wechselseitig gesichert, durften wir uns an den Franke-Kamin wagen, durch den wir 20 Meter von Eisenklammer zu Eisenklammer in die Höhe stiegen, um uns sodann alleine und gesichert mit Expressflaschenzug, loser Rolle und Prusik in die Tiefe abzuseilen. Das war fürs erste Mal ganz schön aufregend, hat aber unglaublich viel Spaß gemacht, so dass Hannah und ich sofort wieder hochgeklettert sind, um uns erneut abzuseilen. Das war mein persönliches Highlight.
Zum Schluss waren wir alle überglücklich und sehr müde. Dann aber hieß es auf einmal von Paul, der schwierigste Part würde noch kommen. Wir waren schon alle erschrocken, da wir nicht mehr konnten. Es stellte sich dann aber schnell raus, dass das letzte Ziel der Biergarten war. Hier konnten wir gemeinsam noch etwas leckeres essen und trinken und uns über unsere Erlebnisse austauschen. Von Pauls Scherz darf aber die Öffentlichkeit nichts erfahren – er will sich diesen Spaß sicher auch noch mit den kommenden Gruppen erlauben.
Es war so ein toller Kurs! Jetzt freue ich mich schon sehr, im Sommer im Rosengarten in Südtirol mitsamt der nötigen Ausrüstung den nächsten Klettersteig anzugehen.
Den Klettersteig-Grundkurs kann ich jedenfalls jedem ohne Einschränkung nur empfehlen.
Vielen Dank an Paul, János und Christina für die tolle Erfahrung!
Eure Clara Jansen