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Eis, Fels und Teamgeist: Der „Aufbaukurs Hochtouren – Eis“ war mehr als nur Gipfelglück

Ich wollte meine Fähigkeiten erweitern, tolle Menschen kennenlernen, Berge und einen Hauch Abenteuer erleben… Und genau das habe ich bekommen. Der Aufbaukurs Hochtouren - Eis vom 8. bis 14. Juli entpuppte sich zu einer prägenden Woche mit intensiver Lernkurve. Wer glaubt, dass Hochtouren für Anfänger geeignet sind, der irrt gewaltig. Denn auch wenn ich schon ein paar Gipfel in den Beinen habe, war diese Ausbildungswoche ein echtes Highlight.

Wir trafen uns am Parkplatz Fernergries (1.925m) im Kaunertal. Wir – das war zu Beginn ein bunter Haufen aus zehn Teilnehmern, mit durchaus unterschiedlichen Erfahrungswerten.

Es ging direkt knackig los: Der Aufstieg zur Rauhekopfhütte auf 2.731 Meter forderte unsere Gruppe gleich zu Beginn mit knapp 800 Höhenmetern und einer Gletscherüberquerung. Die Hütte selbst bot die wohl gemütlichste Basis, die man sich vorstellen kann. Bei bestem Essen konnten wir hier abschalten, uns kennenlernen und perfekt auf die kommenden Tage einstimmen. Als seltene Besonderheit ist die Rauhekopfhütte zudem nicht wie gewohnt dauerhaft durch einen Hüttenwirt betrieben. Gesteuert durch die DAV-Sektion Frankfurt/Main wechseln ehrenamtliche „Hüttenwirte“ im zweiwöchigen Rhythmus. Mit uns waren Julia aus Hachenburg und Lydia aus dem Allgäu auf der Hütte, die uns bestens versorgt haben.

Unser Ausbilder Trio bestand aus János, dem ambitionierten Aspiranten für den Trainer C Bergsteigen, Nobbi, der als Sektionsvorsitzender und wandelndes DAV-Geschichtsbuch viel Bergerfahrung und immer eine Anekdote parat hatte, und dem legendären Helmut ‚Heli‘ Mittermayr – Bergführer-Ausbilder, Flugretter, Notfall-Sanitäter und Verfasser unzähliger Lehrbuch Weisheiten. Mit diesem Team waren wir wirklich in besten Händen.

 

Optimales „Basecamp“ für alpine Kurse

Der erste Ausbildungstag stand ganz im Zeichen des sicheren Bewegens auf aperen Gletschern und dem wohl faszinierendsten Element: dem Eis. Das Eisklettern, der Standplatzbau und das Abseilen an einer Abalakov-Eissanduhr sorgten für staunende Gesichter und beanspruchte Unterarme. 
Für mich war das jedoch nicht anstrengend genug. Mein Portemonnaie wollte beim ersten Aufstieg noch nicht mit auf die Hütte und wartete im Auto. Ich “durfte” die knapp 800 Höhenmeter also nochmal ins Tal und mit dem vergessenen Geldbeutel wieder zur Hütte aufsteigen. Immerhin: Die Gruppe zeigte sich solidarisch und hat mir das Abendessen warmgehalten.

Tag zwei begann besonders spannend mit „Trockenübungen“ zur Spaltenbergung. Auf einer Felsformation wenige hundert Meter oberhalb der Hütte übten wir die Lose Rolle, Selbstrettung durch Aufstieg am Fixseil sowie die Bergung von Bewusstlosen. Dank speziell installierter Eisenstangen an der Felskante wurden die Seile geschont – was die Rauhekopfhütte zum idealen Standort für alpine Kurse macht. Hier bewies sich Helis Geduld und tiefes Wissen, das er nicht nur mit uns, sondern auch in den neuesten Lehrbüchern teilt. Dass er uns abends noch die neuesten Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung über Seilabstände und Bremsknoten in einer Gletscherseilschaft erklärte, zeigt, wie lernfreudig und motiviert unsere zehnköpfige Gruppe war. Nach dem Essen stand zudem noch Tourenplanung für den Folgetag auf dem Programm.

Der Gipfel der Weißseespitze auf 3.498 Metern stellte am dritten Ausbildungstag zweifelsohne ein weiteres Highlight dar. In drei Seilschaften meisterten wir die riesige Gletscherfläche des Gepatschferners. Diese beeindruckende Eiswüste ist der größte Gletscher der Ostalpen und atemberaubend in ihrer Weite und Schönheit. Doch auch hier blieb die Ausbildung nicht auf der Strecke: An einer Firnflanke probten wir im Abstieg das Halten eines Sturzes in der Seilschaft. Dies war auch eine Lektion in Demut, die deutlich machte, wie wichtig Seildisziplin ist, und wie konzentriert man - selbst in scheinbar einfachem Gelände - sein muss.

 

Regen, Nebel und Spaltensturz – wechselhafte Bedingungen am Brandenburger Haus

Am Folgetag wechselten wir zum Brandenburger Haus auf 3.277m. Hierbei zeigte sich das Wetter von seiner ungemütlichen Seite. Leichter Regen begleitete uns, doch das angekündigte Gewitter blieb glücklicherweise aus. Im Schutz des Winterraumes der Hütte trainierten wir Sicherungstechniken mit Fixseil, was uns ermöglicht eine Gruppe von mehreren Nachsteigern zeitsparend, effizient und sicher durch das Gelände zu sichern. Nachdem sich der Regen gelegt hatte, festigten wir das Wissen noch in echten II-er Felsgelände oberhalb der Hütte. Um den Tag bestmöglich zu nutzen, ging es noch in eine 30 Grad steile Firnflanke, wo wir Stufenschlagen sowie das Abrutschen und sofortiges Bremsen im Firn mit und ohne Pickel geübt haben. Diese praktischen Einheiten waren genauso wichtig wie die Gipfeltouren selbst, die uns lehrten, dass auch auf kurzen Strecken jede Bewegung sitzen muss.

Am fünften und letzten Ausbildungstag stand eine moderate Tour auf die Mittlere Hintereisspitze mit ihrem 3.451 Meter hohen Gipfel auf dem Programm. Dichte Wolken und Nebel trübten unsere Stimmung kaum. Beim Gipfelanstieg im steilen Firn festigten wir sowohl unser Wissen als auch die Seilschaften am T-Anker. Am Gipfel klarte es letztlich auf und die zahlreichen Sichtfenster auf die umliegenden Gipfel verdeutlichten minütlich, in welcher schönen Umgebung wir uns befanden. Nach dem Abstieg führte uns Heli schließlich an die Gletscherspalte. Jeder von uns durfte und musste in die Spalte „fallen“ und sich zudem aus den unterschiedlichen Positionen der Seilschaft selbst oder andere retten. Eine Erfahrung, die uns allen sicherlich noch lange in Erinnerung bleibt.

 

Spaltensturz und Gipfelglück – Abschluss einer lehrreichen Woche

Der Folgetag führte uns zurück ins Tal zu den Autos. Für die Einen ging es Richtung Heimat, andere brachen direkt zu weiteren Touren auf. Dazu zählte übrigens auch János, der in der Folgewoche seine Prüfungen zum Trainer C Bergsteigen absolviert und bestanden hat. 

Die Woche war nicht nur lehrreich, sondern auch geprägt von einem unschlagbaren Teamgeist. So ist aus dem bunten Haufen eine harmonische Gruppe geworden. Unsere Ausbilder haben es geschafft, uns trotz des anspruchsvollen Programms mit Humor und Geduld durch die Tage zu führen. Ein riesiger Dank geht an Heli, der wirklich jede Frage souverän beantwortete, an János, der nie müde wurde, uns sämtliche Feinheiten zu erklären, und an Nobbi, der uns mit seinen Geschichten und seiner Erfahrung immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

So bleibt mir nur als Fazit: Eine unfassbar bereichernde Woche in atemberaubender Kulisse – und mit Sicherheit nicht die letzte Hochtour, die ich mit der Sektion unternehme.

 

Philipp Rabe