Cinque Torri - Torre Lucy | © DAV Koblenz | Hulley

Die vier Türme…

Genusskletterei in der Nuvolau- Gruppe bei Cortina d´Ampezzo

23.07.2021

…natürlich ist eine Gewitterstimmung in den Dolomiten sehr besonders und man kann ihr sicherlich auch etwas positives abgewinnen…

der Anblick der von der Sonne angestrahlten leuchtenden Dolomitenwände vor dem blauschwarzen Gewitterhimmel  oder die um die Türme und Zinnen wabernden Nebelschwaden nach dem Gewitter führen zu einer ganz besonderen mystischen Stimmung in diesem ganz besonderen Gebirge- kein Wunder, dass so viele Sagen und Mythen um die „bleichen Berge“ entstanden sind…

…schön und gut, wir aber wollten klettern…und die labile Wetterlage im gesamten Alpenraum machte auch die Überlegungen zu einem alternativen Ziel überflüssig. So mussten wir uns mit unserer Tourenauswahl und dem Tourenzeitpunkt eng an die Wettervorhersage halten,  wobei der lokale Wetterdienst für Südtirol  die Uhrzeit  des  täglichen Gewitterbeginns recht genau traf….

Nach ein paar erholsamen Badetagen am Kalterer See kurbelten wir unser gemietetes Maggiolina-Dachzelt runter und  kurbelten es in Cortina d´Ampezzo auf dem Campingplatz Olympia wieder hoch.

Unsere ersten zwei Türme erkletterten wir in den Cinque Torri mit schnellem Zu- und Abstieg durch den Sessellift, denn nur der Vormittag blieb trocken.  So stiegen wir in den Normalweg am Torre Quarta Bassa ein, um dann in der dritten Seillänge auf die Südwand des Torre Quarta Alta zu wechseln, über die wir das leicht geneigte Plateau des Turmes erreichten mit dem grandiosen Rundumblick in und auf die benachbarten Türme und das imposante Massiv der Tofanen. Die letzte Abseillänge verläuft durch einen Felsspalt, der sich nach unten zu einem höhlenartigen Durchgang zwischen den Türmen öffnet, auf dem der Wanderweg durch das Labyrinth der Cinque Torri verläuft- witzige Einlage! 

Am Folgetag standen wir nach Überklettern der zum Ende hin scharfen Gratschneide auf der Spitze des Torre Inglese, mit Gewittergrollen als Hintergrundgeräusch- schnell runter….

Im Kletterführer Dolomiten vertikal Band Süd von lobo-edition heißt es über die uns bisher unbekannte Nuvolau- Gruppe „viele unbekannte Genusskletterziele mit bequemem Zugang auf meist hübsch überschaubarem Fels. Viele perfekt abgesicherte Routen in allen Schwierigkeitsgraden. Ideal für unsichere Wetterverhältnisse“…“ Vielleicht sind die Wände hier nicht ganz so spektakulär und publikumswirksam wie in der Sella. Dafür gibt es rund um den Passo Giau wirklich alles was der gemäßigte Alpin- und Plaisirkletterer schätzt…“

Als der eine stabilere  Tag dann kam ging´s endlich zum Passo Giau hoch … von hier führt ein breiter Weg in nordwestlicher Richtung durch die Blockfelder unter der Gusela hindurch. Schließlich geht es rechts weglos einen Grashang hinauf bis man nach etwa 40 Minuten die Südwestwand des Torre Anna erreicht. Als eigenständigen Turm nimmt man den durch den markanten Kamin geteilten Torre Anna nur von der Croda Negra aus wahr. Die Route der „Via dei  Pilastrini“ führte uns in 6 Seillängen im vierten Grad durch die Westwand, die zahlreichen Sanduhren nutzten wir als Zwischensicherung gerne. Spannend führte die Route zum Schluss durch einen senkrechten selbst abzusichernden Kamin (4+) hinter großen Blöcken hindurch. Zum Abseilen ging`s vom Gipfel nach ausgedehnter Rast und herrlicher Aussicht nach SO Richtung Vorgipfel  und nach einigen Metern Abklettern fanden wir dann auch die Abseilstelle an einer großen Sanduhr. Überhängend seilten wir ins Nichts ab, bis wir den Boden des Kamins erreichten. Von hier erfolgte das Abseilen über die Westwand.

Nach dem Frühstück in einem nicht vorhergesagten Morgengewitter beschlossen wir dennoch  eine Klettertour durchzuführen-mit sicherer Rückzugsmöglichkeit -da zum Nachmittag das nächste Gewitter wartete und so ging´s nochmal  hinauf zu den Cinque Torri und durch die Nordwand des Torre Lucy in sechs Seillängen auf unseren vierten Turm. Überrascht waren wir vom Unterschied der Wandbeschaffenheit in den Süd- und Nordwänden der Cinque Torri. Zeigen sich die Südwände griffig und bieten relativ gute Möglichkeiten zum Absichern, zeigen sich die Nordwände deutlich kompakter, zusätzliche Zwischensicherungen sind schwer zu legen und die Abstände der eingerichteten Sicherungen sind recht  alpin. Nach einer 50m freihängenden Abseilfahrt vom Gipfel im einsetzenden Regen erreichten wir schließlich pitschnass die Seilbahn…bei Donnergrollen.

Nachdem dann das nächtliche Gewitter auch noch mit großen Hagelkörnern aufwartete, entschlossen wir uns in sicherere Gefilde zu fahren und verbrachten noch ein paar Tage zum Aufwärmen und Abtrocknen am Gardasee.

Heike Schuster-Hulley & Friedhelm Hulley